11.09.2015

Hamlet

roaming

« previous

next »

  Um meinen Urlaubsbericht formal zu beenden, muss ich noch über die "Hamlet" - Vorstellung berichten. Schließlich war das ursprünglich der Trigger für diese Unternehmung.

Wir erinnern uns: Vor etwas mehr als einem Jahr, genau am 01. August, wurde der Ticketverkauf für Benedict Cumberbatch's Hamlet gestartet - und war auch, dank der regen Nachfrage, recht schnell wieder beendet.


Trotz der langen Warteschlange ("I survived the Barbican Green Walking Man!") hatte auch ich Karten ergattert und drumherum einen Urlaub drapiert, über den ich in den letzten Wochen ausführlich berichtet habe.

Ich war also zur "Opening Night" am 05. August anwesend und eine Woche später noch einmal mit meiner Schwester. Was ich - und vermutlich auch viele andere - nicht geschnallt hatten: Die offizielle Premiere war erst am 25. August, die Wochen davor zählten zur "Preview" Periode.

Auch wenn sich die beiden Vorstellungen, die ich gesehen habe, nur in Details unterschieden, wurden anscheinend doch noch ein paar drastische Änderungen bis zur Premiere vorgenommen.


Mir fällt es irgendwie schwer, kurz und knackig eine Meinung abzugeben - irgendwie hat das "Cumberbatch" - Phänomen bei mir zugeschlagen: Die Erwartungen waren hoch und wurden erfüllt. Punkt.

Wer mehr wissen will, setzt sich besser hin, denn das wird sehr wortreich. Der erste Eindruck war auf jeden Fall sehr... unaufregend. Low key. Understated.


Entgegen aller Ankündigungen wurden keine Taschen durchsucht, keine Ausweise verlangt, noch nicht einmal das Ticket wurde kontrolliert - ich wurde praktisch durchgewinkt. 15min vor Beginn der Vorstellungen war Einlass, 20min später ging die Vorstellung los - sehr unzeremoniell.

Am Ende kamen die Schauspieler einmal raus, wurden beklatscht, Mr. Cumberbatch trat einen Schritt vor und ließ sich kurz feiern, die Schauspieler verließen die Bühne - und das war's. Häh?

Vielleicht bin ich vom Musical verwöhnt, aber da ist die Verabschiedung, nachdem der Vorhang gefallen ist, fast noch einmal ein eigener Programmpunkt.


Die Aufführung selbst, die Inszenierung, das Bühnenbild,... haben mir sehr gut gefallen. Ich fand auch, dass dieser Hamlet tatsächlich sehr "zugänglich" also verständlich war. Und das war auch lt. einer früheren Aussage des Mr. Cumberbatch ursprünglich die Intention gewesen. Auftrag erfüllt.

Ich bin ja kein typischer Theatergänger und kann mit "modernen" Versionen, die so schräg sind, dass man das ursprüngliche Stück nicht wiedererkennt, wenig anfangen. Natürlich kann man mich auch nicht zu den Puristen zählen, die sich über jede kleine Änderung aufregen, denn das würde mehr Vorwissen voraussetzen, als ich habe.

Dieser Hamlet war modern, aber verständlich - und sehr witzig. Im Gegensatz beispielsweise zur David Tennant - Version, die wesentlich schwermütiger ist. Aber dadurch auch packender. Mit dem Cumberbatch-Hamlet habe ich kaum mitgelitten oder -gefiebert, von dem ließ ich mich unterhalten.

Vielleicht bin ich aber auch wirklich ein Kind der von TV und Kino verwöhnten Generation. Auch wenn am Theater alles live und echt ist - im Kino oder vor dem Fernseher ist man trotzdem "näher dran".

Möglicherweise ist das der Grund, warum ich beispielsweise "Frankenstein" jederzeit dem "Hamlet" vorziehen würde - weil die Erfahrung eine "Movie"-Erfahrung war? Glücklicherweise werde ich Gelegenheit haben, das zu testen: Entgegen aller Wahrscheinlichkeit habe ich nämlich kürzlich eine Kinokarte für die Übertragung der Aufführung gefunden. :o)

Kann aber sein, dass mich die Frankenstein-Geschichte einfach mehr anspricht. Wir werden es sehen.


Es gab eine herausstechende Szene, einen Gänsehautmoment: Hamlet konfrontiert einen (ehemaligen) Freund, der ihn (für den verhassten neuen König) ausspionieren soll.

Hamlet nötigt den Freund, auf einer Flöte zu spielen, es sei doch ganz einfach... Als der Freund schließlich ausruft, er könne es nicht, sagt Hamlet sinngemäß: Diese Flöte ist ein so einfaches Instrument, und doch kannst du nicht auf ihr spielen. Warum glaubst du dann, dass du auf mir spielen kannst? Ich bin ein komplexes menschliches Wesen, bin ich leichter zu spielen als eine Flöte?

"Why, look you now, how unworthy a thing you make of me! You would play upon me. You would seem to know my stops. You would pluck out the heart of my mystery. You would sound me from my lowest note to the top of my compass. And there is much music, excellent voice, in this little organ, yet cannot you make it speak?

'Sblood, do you think I am easier to be played on than a pipe? Call me what instrument you will, though you can fret me, yet you cannot play upon me."


Die Kritiken sind sehr gemischt: Die Fans fast durchwegs begeistert, die kritischen Theatergeher mehrheitlich enttäuscht. "Kindergartenversion" habe ich u.a. gelesen. Und ich kann bis zu einem gewissen Grad verstehen, wie es zu dieser Beschreibung kommt. Nicht, dass es MICH stören würde.

Eines ist aber auch klar: Die "standing ovations" nach jeder Vorstellung haben keine Aussagekraft, können in diesem Fall kein Maßstab sein für eine ge- oder mißlungene Aufführung. Das sind dann einfach nur Fans, die ihren Star feiern wollen...


So, genug gesagt.


« home
« previous
» archives «
next »