12.01.2021

KW 02 / 2021: I refuse to be insane!

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Geoffrey: Are you dead or am I insane?
Oliver: I don't see why those two thoughts
are mutually exclusive.
Geoffrey: Well, if I'm insane then I'm
talking to myself, aren't I?
Oliver: And I am a figment of your deranged mind.
Geoffrey: And I do not want to be insane.
I refuse to be insane!
So, I'm going to assume that
you're a ghost, Oliver.
* * *


Slings & Arrows: 1x04 "Outrageous Fortune" 2003-2006
dt. Slings & Arrows: 1x04 "Intrigen"
Paul Gross (Geoffrey Tennant), Stephen Ouimette (Oliver Welles)
"Slings & Arrows" ist eine aus 3 Staffeln (je 6 Folgen) bestehende kanadische Serie, die sich in der Theaterwelt abspielt. In Staffel 1 wird "Hamlet" geprobt und aufgeführt, nach dem überraschenden Tod des Regisseurs Oliver Welles unter der Leitung von Geoffrey Tennant, der Jahre zuvor einen Nervenzusammenbruch erlitten hatten, just während einer Aufführung von Hamlet. Und dann erscheint ihm auch noch Oliver als Geist...


Die Phrase "Slings & Arrows" ist Teil des berühmten "To be, or not to be" - Monologs aus Shakespears "Hamlet":

To be, or not to be, that is the question:
Whether 'tis nobler in the mind to suffer
The slings and arrows of outrageous fortune,
Or to take Arms against a Sea of troubles,
And by opposing end them: to die, to sleep;

Staffel 2 behandelt übrigens vorrangig "Macbeth" (und auf der Nebenbühne "Romeo und Julia") und in Staffel 3 wird "King Lear" aufgeführt - beide Staffeln werden uns in diesem Jahr noch begegnen. Kleiner Teaser/Spoiler: Die 1. Staffel finde ich sehr fesselnd, Staffel 2 ist die lustigste. Staffel 3 ist schwermütiger und teilweise schwer anzuschauen.

Leider scheint es die Serie nicht auf Deutsch zu geben, zumindest habe ich nichts gefunden. Auch die englische Version ist mitunter schwer aufzutreiben. (Ich habe irgendwann eine amerikanische DVD-Box ergattert, manchmal sind sogar alle Folgen auf Youtube zu finden!)


"Slings & Arrows" ist unglaublich schräg und witzig und mitreißend. Was mir so speziell gefällt sind die Passagen, in denen Geoffrey seinen nicht immer optimal talentierten SchauspielerInnen dazu verhilft, Szenen und emotionale Zustände zu verstehen, um ihre Performance zu verbessern.

Ich wünschte, mir hätte jemand SO Theater nähergebracht, dann wäre das heute vielleicht nicht ein riesiges schwarzes Loch in meinem Repertoire. Ich habe überhaupt keinen Zugang zu den meisten Stücken, speziell nicht zu den Klassikern.

Da werden altertümliche Worte gewechselt in absonderlich gebauten Sätzen, sodass man die Hälfte nicht versteht. Und es passieren Dinge auf der Bühne, die kaum Sinn ergeben oder so absurd sind, dass ich mir nur auf den Kopf greifen kann (zB Hamlet - Schlussszene).

In der ersten Staffel gibt es zwei Szenen, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind. Wer englisch versteht, möge sich einfach die beiden Clips anschauen, das ist wahrscheinlich effektiver als mein Text. Für den Rest habe ich eine Übersetzung beigesteuert.


#1. Szene: Ophelia verliert den Verstand

Die untalentierte Schauspielerin, die auch das Stück nicht zu verstehen scheint, spielt eine Ophelia auf Drogen, die high herumtanzt. (Ich habe die Szene sogar auf youtube gefunden - nur auf englisch, leider). Geoffrey spricht:

Ophelia is a child. She has been dominated by powerful men all of her life and suddenly, they all disappear. Her brother goes to France. Her father is murdered by her boyfriend and he is shipped off to England. She is alone for the first time. Grieving and heartbroken and guilty.

Because, as far as she is concerned, it's all her fault. She ignored her brother's advice and fell in love with Hamlet. And now, her father is dead. All because of her. And the pain and the loss and the shame and the guilt, all of this is gnawing away inside this little child's mind and it comes out as little songs.

    And will he not come again?
    And will he not come again?
    No, no. He is dead.

My father is dead and I killed him.

Und noch einmal das Ganze auf Deutsch:

Ophelia ist ein Kind. Ihr ganzes Leben lang wurde sie von mächtigen Männern beherrscht, und plötzlich sind sie alle weg. Ihr Bruder geht nach Frankreich. Ihr Vater wurde von ihrem Freund ermordet, der nach England weggeschickt wird. Zum ersten Mal in ihrem Leben ist sie allein. Trauernd und mit gebrochenem Herzen und voller Schuld.

Denn nach ihrem Verständis ist alles ihre Schuld. Sie hat den Rat des Bruders ignoriert und sich in Hamlet verliebt. Und jetzt ist ihr Vater tot. Alles wegen ihr. Und der Schmerz, und der Verlust, und die Scham und die Schuld fressen sich durch das Gehirn dieses kleinen Kindes - und was herauskommt, sind Liedchen.

    Und kommt er nicht mehr zurück?
    Und kommt er nicht mehr zurück?
    Nein, nein. Er ist tot.

Mein Vater ist tot, und ich habe ihn umgebracht.


#2. Szene: Jack kämpft mit "To be, or not to be"

Jack ist ein junger, berühmte Filmschauspieler, der Hamlet spielen soll. Er ist als Actionstar bekannt und unsicher, ob er das Zeug zum Shakespear-Darsteller hat. (Folge 5, ab min. 31:20). Zitat leicht gekürzt:

Geoffrey: You're gonna run the soliloquy. This one scares you, yeah?
Jack: Yeah, it scares the shit out of me.
Geoffrey: Why? You know it.
Jack: Yeah, of course I know it. Everybody knows it. That's the problem. When I say "To be, or not to be", the audience will be hearing every great actor who ever spoke those words. When I say those lines, they won't be in the play anymore. They'll just be watching some guy acting.
Geoffrey: Yeah. This is a problem?
Jack: Yeah, that's a fucking problem.
Geoffrey: Because you're just being a guy acting and Hamlet isn't?
Jack: No. Well... Yeah, he is, kind of, in a way.
Geoffrey: Okay. So Hamlet is just acting? Is that what you're saying?
Jack: Well, yeah, I mean... He acts like he's crazy. That antic disposition. But then no, not really.
Geoffrey: All right. You have got to be specific. In this scene, act three, scene one. Does Hamlet know that Claudius and Polonius are spying on him?
Jack: I don't know.
Geoffrey: You have to know. If Hamlet is aware of their presence, then when you speak these particularly famous words, you're performing for the guy who killed your father and for a meddling old fool, both of whom are hidden in this room. But if you don't know they're here, then your audience is you and those people on the seats. But you have to decide.

Und noch einmal das Ganze auf Deutsch:

Geoffrey: Du wirst den Monolog spielen. Vor dem fürchtest du dich, richtig?
Jack: Ja. Der ängstigt mich zu Tode!
Geoffrey: Warum? Du kannst den Text.
Jack: Ja sicher kenn' ich ihn. Jeder kennt ihn! Das ist das Problem. Wenn ich sage "Sein oder nicht sein", dann werden die Zuschauer jeden Schauspieler hören, der je diese Worte gesagt hat. Wenn ich sie sage, dann werden sie nicht mehr im Moment sein. Sie werden nur irgendeinen Typen sehen, der schauspielt.
Geoffrey: Ja... Und das ist ein Problem?
Jack: Ja, das ist ein verdammtes Problem.
Geoffrey: Weil du ein Typ bist, der schauspielt, und Hamlet nicht?
Jack: Nein! Naja... Irgendwie tut er das schon.
Geoffrey: Okay. Also Hamlet spielt das nur, ist es das, was du sagen willst?
Jack: Ahm, ja. Irgendwie schon. Er tut nur, also ob er verrückt wäre. Mit seinen albernen Mätzchen. Aber dann auch wieder nicht...
Geoffrey: Okay. Du musst spezifisch sein. In dieser Szene, Akt 3, Szene 1. Weiß Hamlet, dass Claudius und Polonius ihn belauschen?
Jack: Ich weiß es nicht.
Geoffrey: Du musst das wissen. Wenn Hamlet weiß, dass sie hier sind, dann sagst du diese berühmten Worte für den Mann, der deinen Vater getötet hat und einen alten Narren, die sich beiden in diesem Raum versteckt haben. Wenn du nicht weißt, dass sie hier sind, dann sind deine Zuhörer du und die Zuschauer in ihren Sitzen. Aber du musst dich entscheiden.


PS.: Ja, hier handelt es sich um denselben Paul Gross, der auch den "Mountie in Chicago" spielt.

PPS.: Wer englischsprachige Reviews zur Serie lesen will: vulture.com, nystagereview.com

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Das Kalender - Fotomotiv zeigt eine Biene, die ich eines kühlen Morgens auf der Glasscheibe fand, die mein Wohnzimmer vom Balkon trennt. Das war eines der ersten Bilder mit dem Makro-Objektiv, das ich mir für die Canon EOS-M geleistet habe.


 
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