12.12.2020

Wo ist Florian "Prinz Chaos" Kirner?

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Vermutlich ist dieser Beitrag so unnötig wie ein Kropf, aber da ich letzten Sonntag damit verbracht habe, in diversen Internet-Löchern zu verschwinden, kann ich nun auch gut und gern darüber berichten, was ich gefunden habe.

Angetrieben hat mich die Frage: Wo ist eigentlich Florian "Prinz Chaos" Kirner hinverschwunden?

Spoiler: Ich habe so ein bisschen eine Antwort gefunden. Aber zurück zum Anfang (wem das zu lang wird, hier geht's direkt zur ▸ Auflösung):

Initialzündung für diesen Blog war ja ein Abtauchen in die Mechanismen und Untiefen dieser unserer destruktiven Lebensweise, im Überblick nachzulesen im "Inhaltsverzeichnis" vom 29.01.2016.


Viele meiner damaligen Quellen sind englischsprachig (Derrick Jensen, Daniel Quinn, Rob Hopkins, Richard Heinberg,...), aber ich habe mich bemüht, auch deutschsprachige "Literatur" aufzutreiben. Fündig wurde ich oft bei Ken Jebsen, unter anderem auch deshalb, weil es dort üblich ist/war, Themen sehr ausführlich zu besprechen und nicht in den üblichen 5min-Clips.

[Vor einiger Zeit wurde der Kanal von Youtube verbannt, weshalb alle Links auf diverse Gespräche nicht mehr funktionieren. Was ich von der "Cancel-Culture" halte, müsste an anderer Stelle besprochen werden.]

Dass mir seine Art zu interviewen (irrsinnig schnell sprechend, dauernd "dazwischengrätschend", sehr suggestiv fragend, sich immer mit seinem eigenen Wissen brüsten müssend) schon von Anfang an auf die Nerven ging, habe ich möglichweise hier und da geäußert.

Ich war damals für eine relativ kurze Zeit sehr aktiv bei kenfm, wurde aber nach und nach dann abgeschreckt durch mehrere Entwicklungen. Das erste, was mir meinen Aufenthalt dort damals bizarrerweise verleidet hat, war die Angewohnheit einiger militanter VeganerInnen, jede Diskussion egal zu welchem Thema mit "wenn wir nur aufhören würden, Fleisch zu essen, wäre alles gut!!!" zu verunmöglichen.

Dann kamen die Chemtrail-Fanatiker und die Klimawandel-Leugner.

Das spielte sich, wie schon gesagt, nicht in den Artikeln und Interviews ab, sondern in den Kommentarspalten. Ich hätte mir gewünscht, dazu von offizieller Seite (das wär ein dem Fall Ken Jebsen selbst) mal eine Stellungnahme zu hören, aber lange gab es dazu nur die Aussage "Ich bin nur eine Plattform, ich will allen Seiten eine Stimme geben".

Ich kann mich nicht erinnern, dass Ken Jebsen - zumindest nicht in meiner aktiven Zeit - jemals die Klimawandelproblematik an und für sich bezweifelt hat, allerdings hat er sich gern und oft über Greta Thunberg lustig gemacht und sich nicht entblödet, sie mit der "Brutkastenlüge" zu vergleichen.

Sehr geschmacklos fand ich die wiederholten Vergleiche von sich selbst mit Sophie Scholl (hingerichtet wegen Widerstands gegen den Nationalsozialismus), was sich ja jetzt bei den Corona-Demonstranten wiederholt (Artikel im standard). Also entweder überschätzt sich da jemand selbst sehr, oder es mangelt an historischer Bildung. Wie auch immer...

Und dann war da noch der naive (?) Glaube, dass mit Donald Trump das absolut Gute ins Weiße Haus eingezogen ist. Ich persönlich habe von Hillary Clinton auch wenig gehalten und hatte Angst, dass sie die Welt mit noch mehr Kriegen überziehen würde, aber dass Donald Trump 1. keine längerfristige Strategie für irgendwas und 2. seinen eigenen Vorteil als Hauptziel seiner Präsidentschaft hatte, war dann doch auch recht schnell klar.


In den letzten Jahren habe ich mich deshalb von der Plattform ferngehalten, weil sich die ganze Sippe dort meiner Meinung nach in irgend etwas verrannt hat, das ich nicht mehr nachvollziehen konnte.

Es gab aber einige wenige Autoren, allen voran Florian "Prinz Chaos" Kirner, nach deren Artikel und Interviews ich noch Ausschau hielt. Aber um den wurde es nach und nach auch stiller, denn auch im Online-Magazin "Rubikon", das er ja mitbegründet hatte, war lange nichts Neues mehr erschienen.


▸ Finding Florian Kirner:

Also habe ich mich am letzten Sonntag dann endlich mal aufgemacht, ihn zu suchen - und wurde zumindest teilweise fündig! Am Aufschlussreichsten ist ein Artikel, den er im April auf "Freiheitsliebe.de" veröffentlicht hat:

Der Text handelt im Wesentlichen von seinem Frust mit dem Gros der "Alternativen Medien", die nun prompt denselben Fehler machen, den sie den Mainstream-Medien vorgeworfen haben, nämlich "Rudeljournalismus": Auch sie lassen nur ein Narrativ zu und veröffentlichen nur ungern gegensätzliche Meinungen. Anstatt echte Experten auf Faktenbasis diskutieren zu lassen, bildet sich jeder eine Meinung und lässt dann nur mehr jene zu Wort kommen, die diese Meinung bestätigen.

[Das passiert mir übrigens auch ganz gerne. Was ich in dieser Corona-Zeit gelernt habe, ist: Da mir auf so vielen Gebieten Wissen fehlt, kann ich sowieso nur "glauben", da ich nicht überprüfen kann, wessen "Fakten" denn nun wirklich stimmen oder nicht.]

Ein weiterer Artikel auf telepolis nimmt Bezug auf Florian Kirners Text: heise.de


Es gibt auch ein paar Videos von Leuten, die eine Weile auf kenfm publizierten (neben Florian Kirner zum Beispiel auch Pedram Shahyar), in denen sie erzählen, warum sie gerne Teil von kenfm (und mit Ken Jebsen sogar befreundet) waren, und warum sie sich abgewandt haben und wie sehr sie das eigentlich bedauern.

Aber wenn sich jemand so verrennt, was mit Corona nun besonders offensichtlich wurde (Wir leben in einer Diktatur!), dann kann man irgendwann halt nicht mehr mit.

Ach, Ken (Lied von Prinz Chaos)
komm:on (Erklärungsversuch von Florian Kirner und Pedram Shahyar: EMPFEHLENSWERT!)

Interessanterweise wurden die meisten dieser Gespräche im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht, uns seither ist auch wieder Funkstille.


▸ Daniele Ganser

Einer, der es irgendwie geschafft hat, bisher den schmalen Grat zwischen einer gehörigen Portion Skepsis einerseits und gesundem Hausverstand andererseits zu beschreiten, ist Daniele Ganser, obwohl der im Mainstream auch als einer der Top-Verschwörungstheoretiker gilt, was ich nicht ganz nachvollziehen kann.

[Update Juni 2023: Auch hier bin ich offensichtlich komplett daneben gelegen, oder der angesprochene Herr hat einigermaßen vernünftig angefangen und sich verrannt, aber das kann nur er selbst beurteilen.

Was Herr Ganser - weder Russland-, noch Osteuropa-Experte, spricht weder russisch noch ukrainisch - teilweise zum russischen Einmarsch in der Ukraine zu sagen hat (u.a. wird er nicht müde, von einem amerikanischen Putsch* 2014 in der Ukraine zu sprechen, was als sehr ignorant und herablassend entlarvt wird, wenn man Berichte von jungen (oder älteren) ukrainischen Demonstranten zu dem Thema liest), ist haarsträubend und menschenverachtend. Hier einige Reaktionen dazu:
▸ verschwörungstheorien.info (1), ▸ verschwörungstheorien.info (2), ▸ zdf.de, ▸ uibk.ac.at, ▸ swissinfo.ch, ▸ tagesschau.de

* Schon alleine das Wort "Putsch" ist in diesem Zusammenhang schlicht falsch, denn in der Ukraine hat die Bevölkerung den Präsidenten aus dem Amt gejagt, der darauf folgende Machtwechsel erfolgte über Neuwahlen.

Zitat aus einem langen Artikel über Daniele Ganser in der nzz Anfang 2021:
Wären Verschwörungstheoretiker Drogen, wäre Ganser das Marihuana. In jungen Jahren probieren es viele aus, die meisten hören wieder auf. Ganser-Fans, die nachher Geschichte studieren, werden ihn anzweifeln, jene, die wie mein Arzt-Freund viele andere Interessen haben, lesen ihn und legen das Thema auch wieder weg.

Manche aber bleiben hängen. Für sie ist der seriöse Ganser mit seinen «kritischen Fragen» der Einlassschein für eine Welt, in der sicher geglaubte Wahrheiten verschwinden und Prediger erklären, was «die da oben» eigentlich vorhaben. Zurück bleibt das diffuse Gefühl, dass man dem System nicht trauen kann.
Tja.]

Es folgt ein Zitat aus einem Interview (youtube: 53:20), das auch mein Gefühl widerspiegelt (der Anlass ist eine etwaige Impfpflicht, mir gehts aber vor allem um die grundsätzliche Aussage):

Es ist ein Menschenrecht, an öffentlichen Versammlungen teilzunehmen, zu Musik zu gehen, zu Vorträgen. Die Gerichte werden das bestätigen, da vertraue ich noch auf die Judikative. Wenn jetzt zum Beispiel... Nehmen wir den schlimmsten Fall: Es ist eine Impfpflicht, alle müssen.

Dann werden einige klagen und sagen: Ich werde mich nicht impfen lassen. Dann wird man sagen: Gut, dann dürfen Sie nicht mehr ins Konzert, oder Sie dürfen nicht mehr über die Grenze. Gut. Wie geht's weiter?

Das geht dann ans Gericht. Okay? Das geht vor Gericht. Und vor Gericht werden die Menschen, die sich nicht impfen wollen, sagen: Ich halte diesen Impfstoff für zu wenig getestet, und da will ich jetzt auf jeden Fall noch warten. Und dann wird der Richter - der Richter ist ja nicht immer korrupt, man darf nicht immer davon ausgehen, dass der Richter von der Pharmalobby gekauft wurde und sagen wird: "Impft diese Verräter noch im Saal!" Das ist wirklich eine Horrorvision, und von dem gehe ich nicht aus.

Ich gehe nicht davon aus. Wir haben Gewaltenteilung und für mich ist das so.

Im selben Interview wird übrigens auch Trump besprochen (ab 7:50), und dazu sagt Daniele Ganser: Trump hat das Militärbudget erhöht, er hat versucht, in Venezuela die Regierung zu stürzen, mit Saudi-Arabien lukrative Rüstungsgeschäfte gemacht und ja, auch wenn er keine neue Kriege angefangen hat, hat er doch die geerbten nicht beenden können.

Auch Trump ist keine Kraft für den Frieden. (Bidens bisheriger Lebenslauf lässt diesbezüglich übrigens auch nicht viel mehr erwarten, das kommt auch in dem Video vor...)


▸ Fazit:

Langer Rede kurzer Sinn: Es ist wirklich schwer, sich in dem Dschungel an Fehlinformationen zurechtzufinden und zu entscheiden, wessen Stimme man nun traut. Eine Portion Skepsis ist gesund, aber wenn es dazu führt, dass man immer alles und jeden anzweifelt, wird es problematisch. Sich andererseits immer der Mehrheitsmeinung anzuschließen, ist auch keine Lösung.

Gesegnet sind die, die einen funktionierenden "Bullshit-Detector" haben. Und/oder eine gute Menschenkenntnis. Wie man sich beides aneignen kann: Keine Ahnung.

Im Endeffekt wird jedem einzelnen von uns nichts anderes übrig bleiben, als sich Schritt für Schritt voranzutasten. Und hin und wieder muss man den Laptop zuklappen (oder das Smartphone beiseite legen) und hinausgehen an die frische Luft und sich wieder mit der realen Welt verbinden.


 
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