16.06.2018

Bits & Pieces #26: Zwiespalt

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Halb sieben an einem Samstagmorgen in einer Woche, in der ich bisher ohne Wecker kaum aus den Federn kam: Seufz. Und nachdem ich diesen Beitrag schon seit einer Weile vor mir herschiebe, sitze ich jetzt am Computer und verpasse wahrscheinlich den Zug nach Graz.

Aber irgendwie läuft momentan nichts so richtig nach Plan. Auch nicht komplett daneben, aber halt so irgendwie... unrund.

Es regnet und regnet, und wenn es nicht regnet, dann sieht es so aus, als würde es bald regnen. Und auf meinem Fensterbrett kann ich bald Seerosen züchten.

Und in der Firma... Na lassen wir das besser.


#1. #saveLucifer

Die gute Nachricht, die außer mir wahrscheinlich keinen interessiert, zuerst: Lucifer, nach Season 3 von FOX gecancelled, wurde von Netflix (tvline.com) übernommen!!! Wohoooo!!!


#2. ...

Nein, das schieb' ich noch mal auf...Schlechtes Timing.


#3. Firma: Lärm

Okay, also nun doch. Aber jetzt werde ich keine Firmeninterna breittreten, sondern meine Schwierigkeiten mit der "Wiedereingliederung" schildern. Erstens, der Lärm. Es gibt kaum einen Platz in der Halle, an dem man nicht von mindestens 3 verschiedenen Radiosendern zugedröhnt wird. Wenn nicht Maschinengeräusche alles übertönen.

Oder der Rasenmähermann gegenüber seinem täglichen Werk nachgeht. Argh!

Echt, das zehrt an den Nerven. An meinen zumindest. Und jetzt wurde anscheinend eine Kollegin wieder angestellt, die auch keinen Pause-Knopf hat. Die kann 6 Stunden ohne Luftholen durchkeppeln... Geez!


#4. Firma: Sozialverhalten

Ich weiß ja nicht, ob es an der Gegend liegt ("die Obersteirer san scho a eigenes Volk!!) oder an der "sozialen Schicht", aber ich hatte noch nirgendwo so Schwierigkeiten wie hier, mich einigermaßen dazugehörig zu fühlen.

Oder es liegt an mir, kann auch sein. Auf jeden Fall ist es so, dass ich täglich nach dem Nachhausekommen erst einmal psychisch aufräumen muss...

Weil ich bemerke, dass mir immer noch schwer im Magen liegt, dass mir in der Früh jemand ein "Guten Morgen" ins Gesicht gekeift hat (mit einem "Kannst nicht grüßen?" impliziert) oder mich eine Kollegin an einem Tag aktiv ignoriert und sich am nächsten Tag freundlich anbietet, mich zur Bushaltestelle mitzunehmen (kalt/warm!?) oder mir ein anderer Kollege wieder einmal zu verstehen gibt, dass ich seiner Ansicht nach viel zu laut und unvorsichtig spreche.

Ich habe auch noch nicht durschaut, ob die Art der Pausen-Zusammenrottungen mit dem Wetter, den Rauchgewohnheiten, den Mondphasen oder mit mir zu tun haben. Und ich bin noch unentschlossen, ob ich das so genau wissen will.


Was all diese Vorfälle gemeinsam haben, ist ein seltsamer Zwiespalt, in dem ich mich jedes Mal aufs Neue wiederfinde:

Einerseits möchte ich natürlich nicht kritisiert, angekeift oder ausgeschlossen werden, andererseits geht es dabei meistens um Dinge, die mir in Wahrheit von Herzen egal sind.


Schon allein das tägliche "Guten Morgen" - Drama ist genau das, ein Drama. 1. Wir haben ein Gleitzeitmodell, das heißt, zwischen 6:00 und 9:00 Uhr kommen ständig Leute. 2. Die Halle ist groß und weitläufig, und es ist oft laut, was bedeutet, dass auch ein noch so herzhaftes "Guten Morgen" nicht alle Winkel erreicht.

Was auch bedeutet, dass einem über Stunden hinweg immer wieder Leute begegnen, die man potentiell noch nicht begrüßt hat. Während man selbst grade irgendwo konzentriert vor sich hin arbeitet oder irgendwie verrenkt, mit dem Rücken zum Geschehen, in einem Schaltschrank drinhängt.

Also das Fehlerpotential ist enorm. Wenn man dann ein Gegenüber hat, das sowas wirklich ernst nimmt - entweder aus persönlichen Gründen (schnell beleidigt, nehmen alles persönlich) oder aus Prinzip (keine Manieren?) - ist man praktisch geliefert.

Dazu kommt noch, dass ich auch hier diesen Zwiespalt erlebe:

Einerseits: Mir ist das ja wirklich wurscht, wer mich grüßt und wer nicht. Persönlich nehme ich das allerhöchstens in extrem seltenen Ausnahmefällen, und dann würde ich eher nachfragen ("Is irgendwas?") als keifen.

Anderer Leute Manieren sind mir auch echt egal, ich bin ja nicht die Sittenpolizei, und mir ist auch bewusst, dass es 1000 Gründe gibt, warum man nicht gegrüßt wird, die weder mit den Manieren noch mit mir zu tun haben.

Und letztendlich ist es eigentlich schade um die mentale Energie, die ich verschwende, während ich mich überhaupt mit dem Thema beschäftige und versuche im Auge zu behalten, wenn ich schon begrüßt habe und wen nicht.

Andererseits: Mir ist schon klar, dass gewisse formale Umgangsformen Organisationen zusammenhalten - bis sie es nicht mehr tun, wie in dem Moment, wo sie als Keule verwendet werden.

Außerdem hab' ich einen von Kleinkind an eingehämmerten Reflex zu dem Thema: Grüßen und Bitte/Danke sind die sichtbarsten Zeichen dafür, dass man eine gute Erziehung genossen hat und in jedem Dorf, das etwas auf sich hält, werden Vorfälle/Vergehen sofort zurück an die Basis (Eltern) gemeldet.

Also lieber einmal zuviel grüßen als einmal zuwenig!

Und auch wenn mir das bei vielen Kollegen relativ wurscht ist, ob sie mich lieb haben oder nicht, möchte ich doch auch nicht, dass jemand glaubt, ich grüße aus Absicht - also aus persönlichen Gründen - nicht.

Und dann noch ein weiteres Phänomen, ganz allgemein zu beobachten: Sobald jemandem etwas an mir nicht passt, tritt sofort ein automatisches Verhaltensänderungsprogramm in Kraft. Frei nach dem Motto: Wenn wer was zu kritisieren hat, muss es einen triftigen Grund dafür geben - und der kann nur an/in mir liegen, und das muss geändert werden! Pronto! Wozu gäb's diesen Feedbackmechanismus sonst?

Dass "Ey Alter, wos is mit du? Hau di über die Heisa!" auch eine mögliche Reaktion wäre, kommt mir erst gar nicht in den Sinn. Der andere hat grundsätzlich immer Recht!


Jetzt, wo ich drüber nachdenke, ist vielleicht "Zwiespalt" das falsche Bild - es ist eher ein "Ebenen-Problem": Im innersten Kern gibt es Dinge und Personen, die mir wichtig sind, und andere eben nicht. Drüber liegt dann die Schicht der durch Belohnung/Bestrafung antrainierten sozialen Verhaltensweisen.

Dort, wo es keine Übereinstimmung gibt, bin ich anscheinend nur halbherzig bemüht, was zu ... interessanten Ergebnissen führt.


Es ist das Dilemma, das wohl so alt ist wie die Menschheit selbst: Entscheide ich mich für Authentizität oder für Zugehörigkeit? Wie weit verbiege ich mich, überkompensiere ich, damit ich anerkannt werde? Wo ist mit geringem Aufwand viel zu erreichen, wo die Anstrengung eigentlich nicht mehr zu rechtfertigen?

Tragisch, dass sich das bereits bei so banalen Dingen wie einem "Guten Morgen!" manifestiert.

Ihr seht, ich hab's nicht leicht (mit mir)! Vor allem, wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass ich wahrscheinlich die einzige bin, die sich darüber überhaupt Gedanken macht. Die "Guten Morgen" - Keifer fühlen sich vermutlich moralisch auf der richtigen Seite, artikulieren das im gereizten Ton, haben dabei das gute Gefühl, eine dringend notwendige Lektion erteilt und der Menschheit damit einen Gefallen getan zu haben, und vergessen das Ganze wieder.

Oder auch nicht. Ja, es gibt Kollegen, die kommen sich tatsächlich beschweren, weil sie jemand nicht gegrüßt hat... (Bei dem Vorfall, an den ich jetzt denke, war ich ausnahmsweise mal nicht involviert!)


Und an dem Punkt denk ich mir dann: Scheiß drauf, ich werd' Einsiedler. Das ist mir alles viel zu kompliziert. Oder ich leg' mir eine Diagnose zu (Aspergers?) und nehm' das als Ausrede her...

Mühsam!


 
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